Carl Lindemann - Leben und Werk

Carl als junger MannZu einer Zeit, wo das Entdecken anderer Kontinente noch ein Abenteuer war, wo Künstler um die Erhaltung ihrer Existenz kämpften und sich weitgehend nur durch Auftragsmalerei ernähren konnten, bereiste Carl Lindemann Afrika und Indien. Fast ein Jahrzehnt hielt er sich dort auf.

Zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts waren außer den afrikanischen Küsten nur einige Teile Afrikas, wie Nordafrika, Ägypten und das Kapland bekannt. Die eigentliche wissenschaftliche geographische Erforschung des schwarzen Erdteils und im Besonderen auch Ostafrikas begann erst, als die europäischen Missionen ihre Tätigkeiten auch nach Afrika zu verlegen anfingen. Von da, d.h. von der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ab, begann geradezu ein Wettkampf in Bezug auf die systematische Erschließung Afrikas. Reisende aller Nationen beteiligten sich daran. Durch die Expeditionen von A. Fischer, der im Auftrage der Hamburger Geografischen Gesellschaft 1882 das Kilimandscharo- und das Merogebiet erforschte, ebenso wie vorher die Engländer Thomson und Johnston, gab es erste sichere Nachrichten über das Massaigebiet und dessen faszinierendes Nomaden- und Hirtenvolk.

 

 

Carl Lindemann war schon als Kind fasziniert von den Expeditionsberichten aus diesem Kontinent, den man gerade zu erforschen begann. Neben seinem erwachenden Interesse für eine ihm noch unbekannte Welt, entwickelte er weitere Leidenschaften, die ihn bis zu seinem Lebensende begleiten sollte: die Malerei und Fotografie. Geboren im Zeitalter der Klassischen Moderne, entwickelte er schon als Kind sein Interesse an Meisterwerken der europäischen Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts.

Nicht einmal 30 Jahre nach den ersten Berichten über das Massaigebiet durch A. Fischer, gelang Carl Lindemann der Aufbruch nach Tansania. Er bestieg ohne jegliches technisches Equipment, begleitet nur von einigen Trägern, den fast 6000 Meter hohen Kilimandscharo. Er fotografierte und malte, sammelte seltene Pflanzen und Steine, die er konservierte und die teilweise bis heute erhalten sind.

 

 

 

Für Carl Lindemann standen aber noch andere Dinge im Vordergrund. Kulturen zu begegnen, sie zu verstehen, von ihnen zu lernen, war das Motto, mit dem er seine Erlebnisse und Begegnungen aus verschiedenen Teilen der Welt in Bildform brachte. Er liebte das Licht, das Meer und die Sonne! Interessiert an Menschen und der Natur bildete er beides- oft auch gemeinsam – in seinen Werken ab. Vor der Kulisse von türkisblauem Wasser und klarem Himmel vermittelt er die Sehnsucht nach Abenteuer und Exotik, Erleben und Freiheit. Sehnsüchte, die er sich selbst in seinem eigenen Leben erfüllen konnte!

 

Carl Lindemann war kein Träumer, ihm gelang es aber, ein Traumleben zu führen. Und so war er nicht nur ein großer Künstler, sondern auch ein großer Lebenskünstler. Er konnte dem Alltag eine Dimension des Außeralltäglichen verleihen, ihn mit Besonderem und Ersehnten erfüllen. Dazu trugen nicht nur seine Aufenthalte in verschiedenen Kontinenten bei, sondern vor allen Dingen die sehr glückliche Ehe mit seiner schönen  Frau Johanna, die beiden Töchter Gertrud und Hilde, der erworbene Grundbesitz am Stadtrand von Hamburg, wo er zusammen mit seiner Familie einen paradiesischen Garten schuf und sich aus allen Teilen der Welt besondere Pflanzen kommen ließ. Wirtschaftlich unabhängig, konnte er seinen großen Leidenschaften, dem Malen und dem Fotografieren, nachgehen, Er malte aus purem Vergnügen, nur für sich, mußte im Gegensatz zu anderen Künstlern seiner Zeit keiner Auftragsmalerei nachgehen und wollte und musste sich nie (Ausnahme Indien) von einem Bild trennen. Er konnte es sich leisten, nur für sich zu malen und schuf im Verborgenen unter Ausschluß der Öffentlichkeit ein großes Werk.

Auf seinen Bildern hat er die Realität von Menschen und Landschaften aus fernen Ländern in unterschiedlicher Art und unterschiedlichen Techniken wiedergegeben. Die Motive sind Mensch und Natur. Auch die Verbindung von beiden stellten für den Ästheten Carl Lindemann eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration dar. Carl Lindemann malte exotische, anmutige Aquarelle von Inderinnen in ihren Gewändern, dargestellt in subtilen Farben! Er brachte die kräftigen expressiven Farben Afrikas in seine Bilder und zeichnete gleichzeitig wunderschöne Pastelle. Dem Betrachter seiner Bilder wird eine Aura von Lebensgefühl, Genuss, Exotik, Abenteuer oder Erotik vermittelt, eine heile Welt aus früheren Tagen.

Sein Oeuvre ist sehr vielfältig und entzieht sich jeder eindeutigen Zuordnung. Zunächst sowohl dem Realismus als auch dem Impressionismus verbunden, wendete er sich in seiner späteren Schaffungsperiode immer mehr von der malerischen Wiedergabe der sichtbaren Wirklichkeit ab. Die Gegenständlichkeit – mit Ausnahme des Körpers an sich - trat zugunsten von Farbgestaltungen als künstlerisches Ausdrucksmittel zurück.

Die größte Anziehungskraft übte auf ihn der Akt aus. Den menschlichen Körper, besonders den der Frau als Ursprung allen Lebens, ins Bild zu bannen, war für ihn die größte Herausforderung. Immer wieder ist es ihm gelungen, den weiblichen Körper in einer neuen Sichtweise darzustellen, war er für ihn eine Quelle von unerschöpflicher Inspiration. Carl Lindemann besaß eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe für die Harmonie und die Bewegungen des menschlichen Körpers. Er hatte ein ganz sicheres Gefühl für Form, Linienführung, Perspektive und Farbharmonie, verfügte zudem über sehr gute anatomische Kenntnisse, so wie er sich auch mit ganz anderen naturwissenschaftlichen Themen intensiv auseinandersetzte. In vielen seiner Zeichnungen und Gemälde bildet die unbekleidete Frau eine Einheit mit der Natur. Neben der Aktmalerei waren für ihn die Landschafts- und Portraitmalerei zentrale Themen.

Sogar nach seiner Erblindung im Alter von 95 Jahren malte er noch mit den Worten: „Ich weiß doch, wie das aussieht, ich habe es doch lange genug gesehen“ weiter. Sein großes Werk besteht aus Gemälden, Pastellen, Aquarellen, Skizzen, Kreidezeichnungen, Kohle- und Bleistiftzeichnungen und Radierungen. Seine Schaffensphase liegt in etwa von 1897 - 1975!

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